Sharing in der Mobilität - Mythos oder Heilsbringer?

Gemeinsam nutzen statt alles besitzen, dafür steht die Sharing Economy. Sachen und Räume werden ausgeliehen und von mehreren Personen genutzt. Der Vorteil: Nicht jeder muss alles selber kaufen. Mittlerweile gibt es für fast alles eigene Plattformen, die entsprechende Dinge oder Leistungen anbieten. Die Digitalisierung hat dem Sharing-Gedanken zu einem Höhenflug verholfen. Die Idee ist verlockend, die technischen Voraussetzungen sind gegeben und die Umwelt würde es danken – „Teilen statt besitzen“ nimmt auch in der Mobilität mittlerweile einen festen Platz ein. Sharing scheint die Zukunft der Mobilität zu werden, in den Magazinen und Anzeigen wird gerne und offensiv darauf hingewiesen. Die Angebote sind vielfältig, der Sharing-Sektor differenziert sich immer stärker. Geteilt wird mittlerweile alles, von Fahrzeugen über freie Plätze bis hin zu Daten. Aber ... ist es wirklich so, dass mit den vielen Sharing-Angeboten unsere Verkehrsprobleme gelöst werden können?

Vielfältig: Die Angebote der Sharing Economy

Eine stärkere Nutzung von Carsharing-Fahrzeugen bei gleichzeitiger Abschaffung des eigenen Pkw würde zu einer deutlichen Entlastung in der Flächenproblematik führen. Nach verschiedenen Untersuchungen des Bundesverbandes Carsharing werden in Haushalten, die Carsharing nutzen, „in erheblichem Umfang private Pkw“ abgeschafft. In den Untersuchungen wurde als höchste in Deutschland bisher gemessene Ersetzungsquote 1 : 20 genannt, ein Carsharing-Auto ersetzt danach 20 private Pkw. Diese Quote wurde für stationsbasiertes und kombiniertes Carsharing in innenstadtnahen Wohngebieten von Frankfurt und Köln ermittelt. Und damit bietet sich ein hohes Potenzial für weniger Autos in den Citys. Carsharing und Mitfahrzentrale sind sicherlich die bekanntesten Formen des Teilens in der Mobilität. Selbst organisierte Fahrgemeinschaften für den Weg zur Arbeit, aber auch das Trampen, sind frühe Formen der Idee des gemeinsamen Nutzens.

Die Digitalisierung hat hier den Weg bereitet für viele neue Ideen und eine größere Akzeptanz, sie sorgt für eine Verbreitung des Gedankens. Neue Online-Plattformen, die per Smartphone bedient werden, erleichtern die Buchung.

Allen Formen der gemeinschaftlichen Autonutzung liegt die gleiche Grundidee zugrunde: weniger Fahrzeuge, weniger Emissionen, mehr Lebensqualität. Dieses Ziel wird von den einzelnen Sharing-Formen in unterschiedlichem Maße erreicht. Das Carsharing bietet für eines der größten innerstädtischen Probleme einen möglichen Lösungsansatz: Reduzierung des Flächenbedarfs des ruhenden Pkw-Verkehrs.

Aber?

2019 lag der Autobesitz in Deutschland auf einem historischen Höchststand, nach Auswertungen des Statistischen Bundesamtes waren 569 Pkw je 1.000 Einwohner registriert. Nach einer repräsentativen Befragung des Magazins DER SPIEGEL von Juni bis September 2019 halten rund 75% der Befragten ein eigenes Auto „auf jeden Fall“ oder „eher“ für notwendig. Selbst in Gebieten mit sehr hoher Bevölkerungsdichte sind mehr als die Hälfte der Befragten dieser Meinung. Das eigene Auto hat einen sehr hohen Imagewert, die Deutschen sind mehrheitlich nicht bereit, dieses durch gemeinschaftlich genutzte Fahrzeuge zu ersetzen.

Einem flächenhaften Durchbruch des Carsharings stehen jedoch mehrere Faktoren entgegen. Da ist zum einen der Pkw-Bestand. In Deutschland waren zu Beginn des Jahres 2020 rund 47,7 Mio. Pkw zugelassen. Die Fahrzeuge haben im Mittel eine Lebensdauer von 18 Jahren, bis sie verschrottet werden, und das durchschnittliche Alter von zugelassenen Pkw in Deutschland liegt aktuell bei 9 Jahren. Diese Zahlen stehen einem schnellen Wandel hin zu gemeinschaftlich genutzten Fahrzeugen entgegen, der Kfz-Markt weist eine starke Persistenz auf. Die Deutschen sind auch (noch) nicht bereit, auf ihr eigenes Auto zu verzichten. Die Statistik weist aus, dass der Pkw-Besitz in deutschen Haushalten seit Jahren stetig steigt, die Steigerungsraten sind mehr oder weniger konstant.

Stadt - Land - Share

Je nach Organisationsgrad des Trägervereins erfolgt die Reservierung der Fahrzeuge telefonisch oder online über eine App. Die Abrechnung erfolgt entweder zeit- oder entfernungsabhängig. Es wird auch hier viel experimentiert. So führt z.B. eine Kommune im Hunsrück ein Dorfauto-Pilotprojekt durch, das eine für die Bürger kostenlose Ausleihe anbietet. Dieses Projekt soll den Busverkehr ergänzen und Bürgern ohne Auto die Möglichkeit bieten, trotzdem zum Supermarkt fahren zu können. Zwölf Monate lang stehen die Autos jeweils in einer Gemeinde an einer Ladesäule. Der Strom kommt dabei aus Fotovoltaikanlagen von den Dächern der Gemeinde. Über eine App können die Autos reserviert werden, die Schlüsselkarte wird bei einer zuständigen Person abgeholt. Seit 2019 läuft das Projekt und soll insgesamt mindestens drei Jahre dauern. (Quelle: Dorfaktiv.de)

Dabei gibt es große räumliche Unterschiede. Das klassische Carsharing ist hauptsächlich in den Innenstädten von Groß- und Mittelstädten vertreten, während in kleineren Städten und Gemeinden nur sehr wenige Anbieter auftreten. Dort ist die Nachfrage nach klassischem Carsharing eher gering, die Kosten sind mithin zu hoch. Allerdings gibt es Alternativen, die für den ländlichen Raum entwickelt wurden (siehe dazu auch nahmobil 14 vom November 2019).

Dorfauto ist so ein neues Format für den ländlichen Raum. Ein lokaler Verein stellt (meist) elektrische Fahrzeuge zur Ausleihe zur Verfügung. Um dieses Angebot zu nutzen, muss der Nutzende dem Verein beitreten und sein Alter und Führerscheinbesitz nachweisen. Ein Vereinsbeitrag sichert die Grundfinanzierung. Das Handling ist simpel, der Autoschlüssel ist entweder an zentraler Stelle in einem Tresor hinterlegt oder bei einer verantwortlichen Person abzuholen.

Fazit

Die erhoffte Wirkung des Carsharings in all seinen Facetten ist bisher ausgeblieben, viele Faktoren sprechen auch gegen eine schnelle Marktdurchdringung. Dies gilt genauso für die anderen Formate, die sich in der Sharing Economy im Bereich des Autos herausgebildet haben. Sie wirken alle in ihren jeweiligen Segmenten und helfen, die Belastungen zu reduzieren. Das grund legende Flächenproblem in den Innenstädten wird damit jedoch nicht gelöst. Hierzu müssen andere Wege gefunden werden.

Mehr zum Thema Sharing

Dieser Artikel ist zuerst im Magazin "nahmobil" der AGFS im Dezember 2020 erschienen. Den vollständigen Text und weitere interssante Beiträge zum Thema "Sharing" findet ihr in der digitalen Ausgabe unter www.agfs-nrw.de/service/mediathek.